Größere Online-Shops setzen immer stärker auf den Omnichannel-Ansatz, also die Zusammenfassung aller Vertriebskanäle und Kundenkontakte. Aber eine Omnichannel-Strategie ist aufwendig und die Frage nach dem Nutzen stellt sich durchaus.
Omnichannel hört sich verlockend an. Das Kundenerlebnis soll erheblich besser werden, indem alle Vertriebskanäle und Kontaktpunkte vereinheitlicht werden. Omnichannel entwickelt den Ansatz des Crosschannel-Vertriebs noch weiter, weil nicht nur einige, sondern wirklich alle Kanäle zusammengefasst werden.
Aber was ist da eigentlich der Unterschied?
Grob gesagt wird bei Multichannel jeder einzelne Vertriebskanal optimiert und das ganze Unternehmen darauf ausgerichtet. Bei Omnichannel passiert genau das Gegenteil: Nicht die interne Organisation, sondern der Kunde steht im Mittelpunkt, weil es klar geworden ist, dass dieser oft verschiedene Kanäle gleichzeitig nutzt.
So kann ein Kunde beispielsweise in einer Filiale einkaufen und sich gleichzeitig oder zuvor über die Angebote mit seinem Smartphone informieren. Die Kundenerfahrung soll immer gleich sein, egal ob er zwischen stationär, online, Callcenter, soziale Medien oder Kataloge zugreift.
Den Trend hin zu Omnichannel untermauert die aktuelle Studie „Omnichannel Commerce 2019“ des EHI Retail Institute aus Köln. Die Marktforscher haben in einer Umfrage unter den 1.000 größten Online-Händlern Deutschlands herausgefunden, dass die umsatzstärksten Player immer mehr auf Omnichannel setzen. Die wichtigsten Ergebnisse sind in einer Infografik zusammengefasst.
Im vergangenen Jahr hat die Zahl der Crosschannel- und Omnichannel-Händler stark zugenommen und ist jetzt mit 312 von 1.000 die zweitgrößte Gruppe, das sind 38 mehr als im Vorjahr. Dagegen ist die Gruppe der Multichannel-Seller stark geschrumpft. „Es zeigt sich also, dass unter den Top-1.000-Onlineshops mittlerweile tendenziell entweder nur auf Online oder auf die Verknüpfung aller Vertriebskanäle gesetzt wird. Die klassische Multichannel-Strategie scheint unpopulärer zu werden,“ erklärt Christoph Langenberg, Autor der Studie und E-Commerce-Experte im EHI.
Es gibt allerdings starke Unterschiede unter den Branchen. Besonders populär ist Omnichannel bei Fashion-Anbietern mit einem großen Filialnetz.
Österreichische Verbraucher setzen auf Omni-Channel
Laut einer anderen Studie des Handelsverbands Österreich in Zusammenarbeit mit Google und Mindtake Research, dem Omnichannel Readiness Index 2.0 (ORI), ist bei den Kunden Omnichannel längst angekommen. 85 Prozent der österreichischen Verbraucher recherchieren vor einem Kauf im Internet und 90 Prozent kaufen online ein. 62 Prozent der stationären Käufe werden digital beeinflusst.
“Eine Omnichannel Strategie ist für jeden österreichischen Händler heute unabdingbar, da sich Konsumenten bei einer Vielzahl von Kaufentscheidungen online informieren, und dann in einer Filiale kaufen – oder auch umgekehrt. Sie leben im wahrsten Sinne des Wortes in einer Omnichannel Realität. In diesen wichtigen Kaufentscheidungs-Momenten als Händler präsent zu sein, hat einen wesentlichen Anteil am Erfolg eines Händlers.”, so Christine Antlanger-Winter, Country Director von Google Österreich.
Die Online-Händler haben sich in dieser Hinsicht gegenüber dem Vorjahr gesteigert: „Alle 45 analysierten Händler sind besser geworden! Trotzdem hat der Markt noch riesige Potenziale: Eine deutliche Mehrheit der Konsumenten wünschen sich die Filterbarkeit der Suchergebnisse im Online-Shop nach Verfügbarkeit in der Filiale, doch nicht einmal jeder zehnte Händler bietet dies an. Nachholbedarf auch bei der Lieferung: 84 Prozent möchten ganz genau wissen, wann ihre Bestellung ankommt, doch nur jeder sechste Händler kann das auf den Tag genau sagen”, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.
Durch die zunehmenden Digitalisierung steigt die Anspruchshaltung der Konsumenten, beispielsweise im Bereich Mobile: Eine mobil-optimierte Website ist ein Muss, außerdem Click-to-Call, um den Händler mit einem Klick auf die Telefonnummer direkt anrufen zu können.
Omnichannel-Angebote sind gefragt
64 Prozent wünschen sich die Möglichkeit, Produkte in der Filiale zu kaufen und nach Hause liefern zu lassen, das sind acht Prozent mehr als im Vorjahr. Inzwischen wünschen sich mehr als die Hälfte der Shopper auch in der Filiale die Möglichkeit, Produkte online zu bestellen. Knapp Dreiviertel finden, dass on- und offline das gleiche Sortiment angeboten werden sollte.
Am stärksten aufgestiegen im Ranking ist der Lebensmitteleinzelhandel mit 13 Prozentpunkten. Mit einem Plus von 10 Prozentpunkten enorm verbessert im Vergleich zum Vorjahr hat sich auch die Branche „Fashion & Accessoires“ gemausert. Die im Durchschnitt stärkste Branche im ORI Ranking ist dieses Jahr „Drogerie & Parfümerie“. Die vier etablierten und bereits erfahrenen Omnichannel-Händler Douglas, dm, Marionnaud und Bipa erreichen allesamt gute Werte.
In einigen Punkten gibt es noch Verbesserungspotenzial: Dass 84 Prozent der Konsumenten sich eine uneingeschränkte Gratis-Zustellung wünschen, dies jedoch nur sieben Prozent anbieten, überrascht nicht, ist aber auch eine wirtschaftliche Herausforderung für viele Händler. Leichter zu realisieren hingegen ist dagegen die Anzeige der Produktverfügbarkeit in einer gewünschten Filiale und im Kontext die Filteroption nach der Wunschfiliale sowie die Angabe eines konkreten Lieferdatums. Bei beiden Wünschen hinkt die Handelsrealität den Konsumentenerwartungen noch stark nach.