Spezielle Ausbildungsangebote sollen Interessenten in ganz Europa besser auf eine Tätigkeit im E-Commerce vorbereiten. Allerdings sind Stellenangebote noch dünn gesät.
In Deutschland und Österreich sind jetzt spezielle Ausbildungsgänge für Kaufleute im E-Commerce zugelassen worden. In anderen europäischen Ländern gibt es entsprechende Angebote schon länger, aber auf universitärer Ebene.
Das Dilemma in Deutschland war früher, dass reine Online-Unternehmen keine Kaufleute schulen durften. Die Argumentation lautete, dass Online- und Versandhändler nicht ausbilden durften, weil sie keine eigenen Ladengeschäfte mit einer Beratungssituation hatten.
Seit August 2018 hat sich das geändert und der Kaufmann im E-Commerce ist ein geregelter Ausbildungsberuf von drei Jahren Dauer im Rahmen der dualen Ausbildung im Wechsel zwischen Berufsschule und Ausbildungsstätte.
Österreich war zwei Monate schneller als Deutschland. Dort ist seit Juni 2018 die Ausbildungsordnung für den Lehrberuf E-Commerce-Kaufmann/-frau in Kraft getreten. Die Ausbildungsordnung ist ebenfalls auf eine dreijährige Ausbildung angelegt.
In der Schweiz gibt es einen solchen Ausbildungsberuf noch nicht. Die BVS Business School in Zürich und die Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW in Olten bieten Weiterbildungsangebote zum E-Commerce.
Auch in vielen anderen europäischen Ländern gibt es eine Ausbildung für E-Commerce nur an einer Universität oder einer privaten Studienanstalt.
In Belgien gibt es beispielsweise an der Becommerce Academy in Brüssel einen viertägigen Kurs zu E-Commerce auf Englisch. Die ICHEC Business Management School in Brüssel bietet ebenfalls eine Ausbildung für E-Commerce in vier interdisziplinären Einheiten.
In Frankreich gibt es unter der Aufsicht des „Ministère chargé de l’Enseignement supérieur de la Recherche et de l’Innovation“ die „Licence pro e-commerce et marketing numérique diplôme national ou diplôme d’Etat“. Die Ausbildungsdauer für das Diplom beträgt ein Jahr. Die Auszubildenden sollten den Bachelor-Studiengang abgeschlossen haben (Niveau terminal d’études bac + 3). 36 Ausbildungsstätten in Frankreich bieten entsprechende Lehrgänge.
Darüber hinaus können Master-Studenten (Niveau Bac + 5) in Frankreich ebenfalls eine Zusatzausbildung E-Commerce absolvieren. Der Aufbaustudiengang dauert ein bis zwei Jahre.
Die Ausbildungsinhalte für E-Commerce
Im französischen Aufbaustudiengang E-Commerce sind folgende Fähigkeiten gefordert: E-Commerce, E-Marketing, E-Kommunikation, soziale Netzwerke, Ergonomie, Business Games und SEO.
Die Inhalte der deutschen dualen Ausbildung bestehen darin, dass der Kaufmann im E-Commerce lernt, wie der Onlineshops eines Unternehmens erstellt und gepflegt wird. Er erstellt Webanalysen, analysiert das Kaufverhalten von Kunden und ermittelt die Interessen von Kunden und welche Produkte am häufigsten verkauft werden. Er soll vertraut werden mit dem Wettbewerbsrecht, dem Urheberrecht und dem Datenschutz. Er bewirtschaftet Waren oder Dienstleistungen, wählt Bezahlsysteme für die online vertriebenen Waren aus und legt Angebotsregeln fest. Diese Kernqualifikationen stehen in der dreijährigen Ausbildung im Mittelpunkt: Online-Vertriebskanal auswählen und einsetzen, Waren- oder Dienstleistungssortiment mitgestalten und online bewirtschaften, Beschaffung unterstützen, Vertragsanbahnung im Online-Vertrieb gestalten, Verträge aus dem Online-Vertrieb abwickeln, die Kundenkommunikation mithilfe von sozialen Medien gestalten sowie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) berücksichtigen und anwenden. Ebenso soll der künftige Kaufmann das Online-Marketing entwickeln und umsetzen sowie kaufmännische Steuerung und Kontrolle nutzen.
Im ersten Lehrjahr erhält ein Azubi 630 bis 800 Euro Vergütung, im zweiten 690 bis 900 Euro und im dritten 900 bis 1000 Euro. Schätzungsweise soll das Gehalt nach der Ausbildung je nach Branche 2.200 bis 2.600 Euro monatlich betragen.
Die Prüfung besteht aus zwei Teilen: Bei der Abschlussprüfung Teil 1, in der Mitte des zweiten Ausbildungsjahres, werden Sortimentbewirtschaftung und Vertragsanbahnung abgefragt. Das Ergebnis fließt zu 25 Prozent in die Gesamtnote ein. In der Abschlussprüfung Teil 2, gegen Ende der Ausbildung, werden Wirtschafts- und Sozialkunde (10 Prozent der Gesamtnote), Kundenkommunikation im E-Commerce (15 Prozent der Gesamtnote) und ein Fachgespräch zu einem projektbezogenen Prozess im E-Commerce (20 Prozent der Gesamtnote) geprüft.
Die Tätigkeit eines E-Commerce-Kaufmanns
Nach abgeschlossener Ausbildung soll der E-Commerce Kaufmann eigenständig Online-Shops aufbauen können, Produkte einpflegen, Kennzahlen aktualisieren, Rechnungen bearbeiten und das Marketing vorantreiben. Er sollte gleichzeitig ein Zahlengenie, ein Analytiker und ein Organisationstalent sein. Es sind also gute technische und mathematische Fähigkeiten, Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen, guter Umgang mit digitalen Medien, Kreativität, Organisationstalent und Spaß am Umgang mit anderen Menschen gefragt.
Da der Ausbildungsberuf noch neu ist, ist die Zahl der freien Ausbildungsstellen noch gering. Es gibt derzeit 63 freie Ausbildungsplätze bundesweit, für den Aufbaustudiengang E-Commerce sogar nur vier. Zum Vergleich: Es gibt 22.645 Ausbildungsstellen für „Kaufmann/frau im Einzelhandel“.
Der Ausbildungsberuf bietet mit Sicherheit gute Zukunftschancen. Interessenten, die an weiteren Karrieresprüngen interessiert sind, sollten aber auch einen Blick auf Anpassungsweiterbildungen werfen, beispielsweise gibt es Seminare und Fortbildungen zum Certified Social Media Manager, Kaufmännischer Schriftverkehr, Kommunikationsmethoden und Marketing oder Material- und Warenwirtschaft.
Zudem gibt es Aufstiegsweiterbildungen, etwa zum Fachwirt – Handel, Fachwirt – Marketing, Betriebswirt – Absatz und Marketing oder Ausbilder.
Einige Studiengängen, die für E-Commerce interessant sind: Bachelor of Arts Internationales Handelsmanagement, Bachelor of Science Digital Media Marketing, Bachelor of Arts Markenkommunikation und Werbung oder Bachelor of Science Betriebswirtschaft.